Kommunikative Kompetenz ist ein zentraler Erfolgsfaktor – in Schule, Studium und Beruf. Die Verständigungsfähigkeit, die uns in die Wiege gelegt wird, reicht für die berufliche Karriere nicht. Doch ist kommunikative Kompetenz tatsächlich lehr- und lernbar?

In einer Kommunikationssituation muss der Sprecher sich für den Hörer verständlich ausdrücken. Grundlage dafür sind kognitive Prozesse. Der Hörer muss sich bemühen, das Gesagte zu verstehen, zuzuordnen und zu beurteilen. Verbale und nonverbale Signale, Sympathien und Ängste beeinflussen diesen Prozess. Rhetoriktrainings versprechen, durch die Analyse und Übung dieser Einflussfaktoren die kommunikative Kompetenz zu verbessern. Inwiefern dies möglich ist, wurde durch eine Studie am Zentrum für fremdsprachliche und berufsorientierte Kompetenzen an der Justus-Liebig-Universität Gießen gezeigt.

Die Studie evaluierte die an der Universität durchgeführten Rhetorikseminare. Es handelt sich dabei um Seminare, die sich auf verbale Kommunikation konzentrieren und nach der Grundannahme konzipiert sind, dass die Kommunikation auf der inneren Haltung und Glaubwürdigkeit des Sprechers basiert. Folglich standen weniger bestimmte Kommunikationstechniken, als vielmehr die in der Rhetorik als ethos bekannte Imagebildung des Redners im Vordergrund. Dazu erhielten die Teilnehmer Feedback zu Mimik, Gestik, Gesprächsführung und Argumentationsgewandtheit. Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie Situationsanalyse dienten als Reflexionsmethoden.

Es wurden 141 weibliche und männliche Teilnehmer aus 14 Seminaren mit den Titeln Kompetent Gespräche führen, Argumentieren, diskutieren, debattieren, Kompetent Referate halten und Auf sprechkünstlerischem Wege zur rhetorischen Sicherheit im Zeitraum von 2013 bis 2015 befragt.

Durch die Studie konnte bestätigt werden, dass Rhetoriktrainings dazu beitragen, die kommunikative Fähigkeit subjektiv besser einzuschätzen. Die erste Hypothese, die Teilnehmer würden sich nach dem Training auf dem Feld der Kommunikation kompetenter fühlen, konnte bestätigt werden (Anstieg des Mittelwertes von 4,9 aus 5,6 auf der siebenstufigen Skala). Jedes einzelne Item wurde nach dem Training als verbessert wahrgenommen. Eine mögliche Erklärung dafür kann die Beobachtung und Analyse von Gesprächssituationen im Übungskontext und das damit verbundene Feedback sein. Die zweite Hypothese, die Sprechängste würden nach dem Training von den Studenten geringer eingestuft, konnte ebenfalls bestätigt werden (der Mittelwert sank von 3,6 auf 2,8). Auch dieses Ergebnis lässt sich durch Übungen in Kombination mit Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie Videofeedback erklären. Die dritte Hypothese, eine als stärker empfundene Kommunikationskompetenz ginge mit schwächer empfundenen Sprechängsten einher, konnte ebenfalls bestätigt werden. Wer sich selbst als rhetorisch kompetent einschätzte, bekundete eine geringe Sprechangst.

Kommunikative Kompetenz ist erlernbar und kann durch Rhetoriktrainings geschult werden. Zudem kann durch die Verbesserung der kommunikativen Kompetenz ein angstfreies Auftreten erreicht werden.

 

Literatur: Nespital, Ulrike: Wie effektiv sind Rhetorikkurse? Erste Ergebnisse zur Entwicklung von rhetorischen Fähigkeiten und Sprechangstsymptomen bei Studierenden. In: Roland W. Wagner (Hrsg.): Sprechen. Zeitschrift für Sprechwissenschaft. Sprechpädagogik – Sprechtherapie – Sprechkunst. Heft 61. Heidelberg 2016, S. 56-66.